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Ehemalige Republiken und
andere politische Fragen
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Die Grenze von Bulgarien nach Mazedonien hat
sich mir präsentiert als eine Grenze, die ihren Namen
noch verdient. Pässe werden eingesammelt und ausgeteilt.
Alle stellen sich mit ihrem Gepäck neben dem Bus auf.
Der Inhalt meines Koffers findet wenig Anklang. Eine abschätzige
Kinnbewegung gibt mir zu verstehen, dass ich meinen Plunder
wieder einpacken dürfe. Der Bus wird in einem eigens
konstruierten Busprüfungsschuppen geprüft. Ein Angehöriger
der US Army fotografiert die schöne Aussicht auf die
Berge.
Die Mazedonier sind wie wir, haben die Bulgaren gesagt. Sie
sprechen dieselbe Sprache. Wir haben dieselbe Kultur. Lass
sie träumen, sagt Hristina. Sie und Oliver leiten das
mazedonische Büro einer Schweizer Kulturstiftung. Mit
allen Nachbarn gibt es etwas abzumachen, sagt Oliver. Mit
den Bulgaren wegen der Kultur und der Nation, mit den Griechen
wegen des Namens, und mit den Albanern sowieso.
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Wegen der Schwierigkeiten, die Griechenland
mit dem Namen Republik Mazedonien hat, heißt
das Land bei den internationalen Institutionen offiziell Former
Yugoslav Republic of Macedonia, kurz FYROM. In Skopje
werden T-Shirts und Anstecker verkauft mit der Aufschrift
Don´t FYROM me.
Die Präsidentschaftswahlen interessieren alle herzlich
wenig. Die einzigen, die die Präsidentschaftswahl erwähnen,
sind die Mitarbeiter der Schweizer und der Deutschen Botschaften.
Ich esse zu mittag mit Zarko Trajanoski, seines Zeichens Philosoph
und Menschenrechtsaktivist. Bis vor kurzem hat er eine Beratungsstelle
geleitet, an die Bürger und Bürgerinnen sich wenden
konnten, wenn sie ihre Menschenrechte verletzt sahen. Zarko
isst Palatschinken. Die angeblichen ethnischen und religiösen
Konflikte, die es zwischen mazedonischen Albanern und mazedonischen
Mazedoniern gäbe, hält Zarko für Konflikte,
die aus der unterschiedlichen Entwicklung in städtischen
und ländlichen Gebieten herrühren, aus vernachlässigten
Dörfern und hoher Arbeitslosigkeit. Leider müsse
man sagen, dass westeuropäische Organisationen und Medien
in dieser Frage keine hilfreiche Arbeit geleistet, sondern
vielmehr Probleme geschaffen hätten, indem sie die ethnischen
Identitäten im Balkan als eine so wichtige Sache
wahrgenommen und dargestellt und damit das Denken in ethnischen
Zugehörigkeiten unterstützt hätten. Für
ihn gebe es BürgerInnen Mazedoniens, der Rest sei nicht
von Belang und eine private Angelegenheit.
Bleibt mir noch zu sagen, dass Mutter Teresa in Skopje geboren
wurde.
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Was soll Mazedonien repräsentieren?
Gefragt, was in der Ausstellung im November
in Leipzig für ihr Land stehen soll, haben sechzehn
Mazedonier und Mazedonierinnen folgendes ausgewählt:
- eine rote Gjezve
aus dem Haushaltsbedarf zum Kochen türkischen
Kaffees und
ein Glas Ajvar, mitgegeben
von Makdeonka Andonowa
- Zeichnungen, angefertigt für eine
ethnografische Karte Mazedoniens von ihrem
Großvater Mihajlo Sojlev,
mitgegeben von Kamelia ojlevska
- Ajvar, mitgegeben von Bojan
- Ajvar, mitgegeben von Gordana
und Jan von Vogt
- die CD swinging MACEDONIA von
dd SYNTHESIS und eine Flasche mazedonischen
Cabernet Sauvignon, mitgegeben
von Petar Gjorgjiev und Nataa Zafirova
- mazedonischer Wein, benannt nach dem
Gedicht T`Ga za jug
(Sehnsucht nach dem Süden)
von Konstantin Miladinov, sowie ein Text über
die
Arbeitsmigration von Mazedonen,
mitgegeben von Dijana Tomik Radevska
- eine Geschichte über ihre Familie,
geschrieben von Slavica Janelieva
- getrocknete Paprika, in Auftrag gegeben
von Tamara Simonovska
- Auberginenpaste und eingelegte Paprika,
mitgegeben von Hristina Ivanovka
- eine leere Plastikflasche, mitgegeben
von Matthias Vollert
- das Waschmittel Biljana und Zigaretten
Marke Partner, verbunden mit dem
Auftrag, in der Ausstellung
Wäsche mit der Hand zu waschen und dabei zu
rauchen, mit- und in Auftrag
gegeben von Oliver Musovik
- die Aussage, dass Mazedonier freundliche
und offene Menschen seien,
gewünscht von Zoran Petrovski
- Papiertaschentücher Paloma,
mitgegeben von Aliye Useinova
- die Aufzeichnung einer Wunschmusiksendung
mit einem Lied für mich
im Fernsehkanal der mazedonischen
Roma, von Yane Calovski
- eine Landkarte von 1913, auf der die
von Mazedonen bewohnten Gebiete
eingezeichnet sind, mitgegeben
von Oliver Musovik und Hristina Ivanovka
- ein Witz, erzählt von Zarko Trajanoski
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Was soll Mazedonien repräsentieren?
Sechzehn Mazedonier und Mazedonierinnen haben ausgewählt (mehr)
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Auf dem Basar und bei Makdeonka (mehr)
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Auf der anderen Seite liegt Albanien (mehr)
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Im November kocht jede
Familie Ajvar ein. Wenn ich im November nicht
in Mazedonien bin, dann vermisse ich diesen Geruch in
den Straßen, sagt Gordana. Die Slowenen haben
versucht, sich das Wort Ajvar patentieren lassen, listig
und geschäftstüchtig wie sie sind, sagt Oliver.
Mazedonien habe dagegen geklagt und gewonnen; das Wort
Ajvar wurde für so wenig patentierbar erkannt wie
beispielsweise Kartoffelsalat.
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Vor der Schweizer Botschaft in Skopje blühen japanische
Zierkirschen. Ich gebe eine Präsentation
in der Galerie der dazugehörigen Kulturstiftung.
Das Braunkohlebrikett wird begutachtet. Das mitgebrachte
Einkommensteuerhandbuch des Bundesministeriums der Finanzen
ist den zwei Übersetzern im Publikum vertraut:
Es wurde bei der Revision des Mazedonischen Einkommensteuergesetzes
herangezogen.
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Auf dem Basar und bei Makdeonka
Auf der anderen Seite des Flusses liegt der
Basar von Skopje. Hier gibt es Minarette und Blechdächer,
Flieder und Nüsse. Die alten Männer mit den Kappen
begrüßen sich zärtlich. Auf den Fahrradtransportwagen
lungern und lagern die Fahrradtransportwagenfahrer. Ihre Sitze
haben sie mit Lappen und Klebeband verbessert. Von allen Minaretten
wird gesungen. Wer Auto fährt, fährt wie der Henker.
Von einem Balkon überblickt ein Mann mit Sonnenbrille,
übergeschlagenen Beinen und überlegenem Lächeln
den Basar. Ich gerate zwischen die Schmiede und Werkzeugverkäufer.
Hier gibt es keine Frauen. Die Werkzeugverkäufer preisen
mir ihre Schaufeln und Hämmer an, als ob es wahrscheinlich
wäre, dass ich mich nicht verirrt hätte, sondern
vielmehr gekommen wäre, um Schaufeln zu kaufen, was ich
sehr höflich finde.
Am Nachmittag treffe ich Hristina, Nataa Dimitrievska
und einen Freund von ihnen, welcher Geschichten zum besten
gibt, die davon handeln, wie er seine Freundinnen betrogen
hat. Wir gehen in ein Café mit dem Namen New Age. Es
ist orientalisch gestaltet, mit Wandteppichen, Pfauen und
Hühnern.
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Am Sonntag bin ich bei Oliver und seiner Mutter
zum Mittagessen eingeladen. Sie wohnen in Dracevo, einem Vorort
jenseits des Zementwerkes. Nach dem großen Erdbeben
von 1963 haben hier Fabriken Wohnhäuser für ihre
Mitarbeiter bauen lassen. Das Haus, in dem Oliver und seine
Mutter eine Wohnung haben, hat der Glasfabrik gehört.
Die Glasfabrik gibt es nicht mehr. Makdeonka Andonowa hat
dort als Keramikerin und Produktgestalterin gearbeitet. Sie
trägt ihre Lockenwickler mit großem Schwung. Wir
essen Huhn, Hühnersuppe und Reis. Das ist das Sonntagsessen
ihrer Kindheit, an das sie sich besonders gern erinnert. Wir
trinken Frauenwein, den sie so nennt, weil er lieblich ist.
Sie erzählt mir, dass sie in Ostberlin war am 9. November
1989. Auch in Dresden, Leipzig, Annaberg und München
ist sie gewesen, auf Geschäftsreise in Sachen Glas und
Keramik. Was sie denn damals gedacht habe, frage ich sie und
Makdeonka wiegt den Kopf. Für uns ist es schlechter geworden
nach der deutschen Wiedervereinigung, sagt sie. Jugoslawien
ist auseinandergefallen. Wir waren freier als jetzt, wo wir
Mazedonier ein Visum brauchen für fast alle Länder,
in die wir reisen wollen, für alle Länder außer
Serbien, Kosovo und die Türkei. Jetzt sind wir isoliert;
früher waren wir in West und Ost willkommen.
Im übrigen habe man sich früher nicht dauernd mit
der Politik beschäftigt. Immer dieses Reden über
Politik!
Für meine Ausstellung, sagt sie, solle ich eine Gjezve
mitnehmen. Das ist ein Topf, in dem man türkischen Kaffee
kocht. Die Ausländer würden gern die traditionellen
kupfernen kaufen, aber sie rate mir zu einer roten Gjezve
aus einfacher industrieller Gestaltung. Sie habe eine großartige
Form und eine große Kochfläche, so dass der Kaffee
schnell koche. Sie hat viele solcher Töpfe und zeigt
sie mir, aber keiner sei so vollendet wie dieser eine.
Was die Bulgaren mir mitgegeben hätten für die Ausstellung,
werde ich gefragt. Ob die Bulgaren mir mehr mitgegeben hätten,
oder ob sie Mazedonier mir mehr mitgeben würden? Als
ich von einigen bulgarischen Gaben und Ideen erzähle,
gucken Hristina und Oliver sich an. Immer so pathetisch, diese
Bulgaren, sagen sie.
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Nataa und ich
vor dem Panorama von Skopje.
Petar und Nataa sind mit mir in ein Lokal gegangen,
das früher in Berlin am Kurfürstendamm betrieben
wurde.
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Kulturhaus
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Am frühen Abend mache ich
in Dracevo mit Oliver und seiner Freundin einen Spaziergang,
so wie sie ihn normalerweise machen. Oliver sagt,
ich solle fotografieren, das sei meine Aufgabe als Korrespondentin.
Als ich ein Haus mit hellblauem Zaun fotografiere, hält
ein kleiner Laster davor mit den Eigentümern des Hauses.
Der Mann will auch fotografiert werden. Er sei in Hamburg
und Stockholm gewesen! Er habe Asylanten transportiert.
Oliver zeigt mir ein Auto der Marke, mit der der Eigentümer
des Hauses mit dem hellblauen Zaun Asylanten nach Stockholm
gebracht hat. Es ist ein Zastava 101, produziert in einem
Jugoslawischen Werk mit Namen Rote Fahne. Zastava
101 heißt Fahne 101.
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Mit Tamara Simonovska und ihrem
Sohn auf dem Ochrid-See, wo es herrlich ist und auf
der anderen Seite Albanien liegt.
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